Rothaarsteig

9:00 Uhr, das Vibrieren meines Handys reißt mich aus dem Schlaf. Wirklich tief war der jedoch nicht. Vielleicht ist es die Aufregung, die Vorfreude, die Abenteuerlust, oder auch nur mein Kopf, der ständig meinen Rucksack aus und wieder einpackt. Habe ich an alles gedacht?
Isomatte, Schlafsack, Tarp, Plane, Kocher, Wasserflasche, Erste-Hilfe-Set,… Immer wieder gehe ich alles durch, obwohl ich mir eigentlich sicher bin, dass ich alles habe. Ich mache das ja schließlich nicht zum ersten Mal. Oder doch? Irgendwie schon, denn jeder dieser Trips ist auf seine eigene Art und Weise anders und individuell. Schnell noch einen Kaffee und ein Müsli, dann geht es los.

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Leon und Berit stehen mit ihrem Hund Jari vor dem Haus und schaffen schon mal Platz in dem kleinen roten Wagen. Ich schlüpfe schnell in meine treuen Wanderstiefel. Allerdings gönne ich meinen Füßen noch etwas Entspannung und Platz und schnüre sie deshalb nur locker. Dann werfe ich mir meinen Rucksack über die Schultern und stolpere die Treppe herunter. Das Gespräch startet sofort mit dem wichtigsten Teil: „Was essen wir eigentlich, haben wir genug dabei?“ Und so gibt jeder seine ganz persönliche Speisekarte zum Besten. Ich beschränke mich dieses Mal auf „Trockenfutter“. Tütennudeln, Müsli mit Milchpulver, Müsliriegel und natürlich Wasser! 3 Liter trage ich mit mir herum. Seinen Wasservorrat aufrecht zu erhalten, ist eines der wichtigsten Dinge in der Natur. Beim Blick auf die Karte ist die Suche nach der nächsten Quelle und die Hoffnung darauf, dass sie auch „Safe“ ist, zur Selbstverständlichkeit geworden.

Natürlich ist das Rothaargebirge nicht der Himalaya, und eine Zweitageswanderung auch kein Überlebenstrip, aber es macht Spaß mal ganz autark unterwegs zu sein, und die Natur mit ihren Möglichkeiten immer wieder neu zu entdecken.
Der Rothaarsteig, ein 160 Kilometer langer und oft nur 30 Zentimeter breiter Wanderweg, der sich geschickt durch das Rothaargebirge schlängelt. Es geht rauf und runter, von Gipfel zu Gipfel, vorbei an atemberaubenden Panoramen und abenteuerlichen Kletterpassagen, die aber selten anspruchsvoll werden. Ein erlebnisreicher Wanderweg für jedermann. Und gar nicht mal so weit entfernt. Von Paderborn gestartet, kommen wir circa eine Stunde später in Brilon an. Hier lassen wir das Auto stehen und fahren mit dem Bus weiter bis nach Winterberg.

Am Nordhang des Kahlen Astens beginnt unsere Tour. Die heutige Etappe wird voraussichtlich circa 23 Kilometer betragen. Der Weg führt uns durch dichte Wälder, kühle Täler, windige Hochebenen und verschlafene Dörfer. Doch als wir am Fuße des Clemensberges ankommen, bricht die Dunkelheit über uns herein und auch die Beine sind mittlerweile müde geworden. Wir füllen ein letztes Mal unsere Wasserflaschen und Trinkblasen und schaffen es noch bis zum Gipfel.

Dort schauen wir nun vom zweithöchsten Berg Nordrhein-Westfalens hinunter ins Tal. Atemberaubend! Der kühle Wind streichelt mein Gesicht und die Sterne blenden schon fast, so dunkel ist es hier. Wir schlagen unser Lager direkt auf dem Gipfel auf. Schnell kocht das Wasser und die Fertignudelgerichte blubbern in den Aluminiumtöpfen. Zu Hause würde das wahrscheinlich nicht meine erste Wahl sein, denke ich mir. Doch hier, mit schmerzenden Knien auf dem kalten Steinboden, kommen die Nudeln in Schinken-Sahne Sauce einem drei Sterne Menü gleich!

Wir sitzen noch eine ganze Weile auf der Bank, an der wir das Tarp festgebunden haben und schauen in den klaren Sternenhimmel. Wir erkunden Sternbilder, suchen Satelliten, und lassen unsere Gedanken in der unglaublichen Schönheit verschwinden, die uns hier umgibt. Schließlich rollen wir uns in unsere warmen Schlafsäcke ein und es dauert nicht lange, bis alle eingeschlafen sind. Ein eisiger Wind weckt mich gegen 4:00 Uhr auf. Es ist ziemlich kalt geworden. Ich schaue verschlafen auf das Thermometer. 4 Grad ist es. Ich krieche tief in meinen Schlafsack und wache erst um 6:00 Uhr wieder auf.

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Es ist noch dunkel, nur ein knallroter Streifen am Horizont erhellt den Himmel. Ich lege mich auf die Seite und schaue hinab in das vernebelte Tal. Nun werden auch die anderen wach. Der rot- orange Sonnenaufgang erhellt unsere Stimmung und gibt Motivation für die zweite Etappe. Zügig ist alles gepackt.

Noch ein schnelles Müsli mit Tee, dann geht es wieder los.


Weitere 25 Kilometer gilt es heute hinter uns zu bringen. Wir quälen uns die ersten 3 Kilometer mit steifen Gliedern bis zur nächsten Quelle. So langsam werden die Gelenke warm. Alle zwei Stunden legen wir eine Pause ein. So kommen wir gut voran und am Mittag sind schon 15 Kilometer geschafft.

Ab jetzt merken wir unsere Muskeln und Gelenke immer mehr.

Nach 20 Kilometern fragen wir uns, warum wir das eigentlich tun? Warum tragen wir hier 15 kg auf dem Rücken die Berge hoch und runter. Warum schleppen wir uns Kilometer über Kilometer durch die Wälder.

Das tut doch nur weh, das ist doch nicht schön! Doch nach 24 Kilometern wird es uns klar. „Es ist das Ankommen“, beschließt Leon. Und damit hat er recht! Wir kämpfen uns Meter für Meter immer weiter Richtung Auto. Der letzte Abstieg, das Ortsschild, die letzte Abbiegung, der letzte Schritt.
Sofort sind die Rucksäcke auf dem Boden und die Wanderstiefel schnell gegen die mitgebrachten Hausschuhe getauscht.

Alles landet kreuz und quer im Auto und wir treten die Heimreise an. Auf dem Weg ist es still im Auto. Ich denke über die letzten Tage nach. Bilder wandern durch meinen Kopf. Bilder von kleinen Bächen, verwurzelten Pfaden, grünen Wiesen, dunklen Wäldern, funkelnden Sternen, vom großen Ganzen, vom Wandern… und dann schlafe ich ein.

                                                                                                                             Endlich angekommen!

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