Reisebericht: Rheinradweg Teil 4

Rheinradweg, Teil 4: Kehl – Karlsruhe und weiter nach Worms

Der Montag in Kehl beginnt entspannt. Vor mir liegt nur eine relativ kurze Strecke von ca. 90 Kilometern, die mich am heutigen Tag bis nach Karlsruhe führen soll. Ich packe meine Sachen ein, stelle sie an der Reception des Campingplatzes unter und fahre, während mein Zelt noch in der Morgensonne trocknen kann, mit dem Fahrrad über die Rheinbrücke nach Straßburg. Wenn ich mit dem Fahrrad tagsüber unterwegs bin, gönne ich mir kaum den Luxus des längeren Sightseeings. Heute morgen sollte dafür einmal Zeit sein. Doch in den Ausläufern von Straßburg angekommen habe ich, bedingt durch die verschiedenen Baustellen und Umleitungen schon nach wenigen Minuten wieder das Gefühl, dass ich mich auf einer Autobahn befinde. Zumindest schauen mich die Autofahrer beim Vorbeifahren ganz komisch an. Ich schaue auf die Uhr und rechne mir aus, wie viel Zeit ich durch die Baustellen schon verloren habe und beschließe, wieder nach Kehl zurückzufahren. Die gewonnene Zeit nutze ich, um in einem Supermarkt meine Vorräte wieder aufzufüllen. Zurück auf dem Campingplatz packe ich in aller Ruhe mein Zelt wieder ein und sortiere die Taschen endlich einmal wieder durch. Mit dem Gedanken, dass so ein freier Vormittag gar nicht so schlecht ist (speziell nach einem Tag wie dem gestrigen), setze ich mich schließlich wieder aufs Fahrrad. Die Fahrt führt mich durch Kehl hindurch zur Mündung des Kinzig. Ich bin froh, aus dem Stadtverkehr wieder heraus zu sein und freue mich auf die ruhige Fahrt auf dem Rheindamm. Schon komisch – am gestrigen Tag ging mir der Damm irgendwann auf die Nerven, heute freute ich mich drauf. Der Schotter knirscht unter meinen Reifen, während ich zügig vorankomme. Bis 15 Uhr möchte ich in Rastatt sein. Also  nicht IN Rastatt, sondern an der Schleuse am Rhein. Dort soll es eine kleine Gaststätte geben, in der ich auf Kühlung und kühle Getränke hoffe.

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Das ist auch nötig, denn ich merke beim Fahren, dass ich mich gerade in der größten Mittagshitze befinde – und das bei guten 30 Grad. Genauer gesagt: ich merke es nicht beim Fahren, sondern nur wenn ich stehe. Beim Fahren kühlt mich der Fahrtwind und die Temperatur ist erträglich. (In Gedanken beglückwünsche ich mich zu meiner Reisegeschwindigkeit von fast 20 km/h.)

Als ich mich der Schleuse nähere, ist mein erster Gedanke, dass die Fahrradkarte scheinbar etwas veraltet ist. Ich kann die Gaststätte aus der Ferne nicht finden. Sie ist aber doch noch da, wo sie sein soll. Ich trete ein, bestelle mir eine Cola und ein alkoholfreies (isotonisches) Weizenbier und lausche den Gesprächen der Senioren, die in meiner Nähe sitzen. Ich muss zugeben, ich bewundere sie, denn sie erzählen von diversen Radtouren, die sie immer wieder unternehmen.

Schließlich geht es weiter, nicht ohne vorher noch meinen Buff zu befeuchten. Unterm Helm sorgt es für eine passende zusätzliche Kühlung. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, an der Schleuse Iffzenheim über die Brücke auf die französische Rheinseite zu wechseln, aber die Straße wirkt auf mich wieder wie eine Autobahn oder etwas ähnlichem. Die Schilder am Straßenrand sagen mir zumindest eindeutig, dass Fahrräder hier nicht erwünscht sind. Also geht es rechtsrheinisch weiter.

Nach 5 Kilometer überquere ich bei Wintersdorf wieder einmal auf einem Damm den Altrhein. Der Rhein ist der große Schifffahrtsweg und die Hauptschlagader der Gegend – der Altrhein ist das Herz, das Gefühl. Neben mir dümpelt ein alter Aalschokker (die „Heini“) im Wasser und grüßt die vorbeifahrenden Radfahrer mit seinem schwankenden Mast. Bis 1980 tat die „Heini“ Dienst als Aal-Fangschiff auf dem Rhein.

Bei Plittersdorf wechsele ich schließlich mit der Gierseilfähre Saletio auf die linke Rheinseite. Ich bin verwundert, als kein Mitarbeiter vorbeikommt und den Fahrpreis kassiert. Ein weiterer Radfahrer an Bord erzählt mir, dass die Fähre vom Départment Bas-Rhin finanziert wird und kostenlos verkehrt.

Der Weg ist fast menschenleer, bietet viele schöne Ausblicke und führt mich mit einigen Schleifen weiter Richtung Karlsruhe. Irgendwann treffe ich auf ein Schild in französischer und deutscher Sprache . Es wird erklärt, warum der Weg so menschenleer ist. Vor mir liegt ein Chemiewerk und das Schild weist mich daraufhin, dass ich im Falle eines Chemieunfalls durch Sirenen gewarnt werden würde und schnellstmöglich die Sicherheitszone verlassen solle. Kein Problem, denn so schön ist das Chemiewerk nicht, ich wollte eh schnell weiter.

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Schon bald überquere ich linksrheinisch die Grenze nach Deutschland und befinde mich in der Pfalz. Hinter der Grenze wechsele ich wieder mit der Fähre zurück nach Deutschland und fahre zügig Richtung Karlsruhe weiter, da ich mich am Abend dort mit einem guten Freund treffen möchte.

Dennoch bleibe ich bei meiner „pingeligen Reiseroute“ und nehme nicht den direkten Weg zur Herberge am Hauptbahnhof, sondern fahre durch die Rheinhäfen auf Karlsruhe zu. Von dort, näher gesagt vom Rheinhafen aus, will ich am nächsten Tag wieder die Fahrt auf dem Rheinradweg aufnehmen.

Selten habe ich meine Angewohnheit, den Rheinradweg dort zu verlassen wo ich ihn wieder aufnehmen werde, so verflucht wie heute. Denn am Hafen steht mir plötzlich ein 40 Meter breites und 9 Meter hohes Hochwassersperrtor im Weg. Ich bleibe bei meinem Vorhaben und schiebe mein vollbepacktes Fahrrad vorsichtig die Fahrrad-Rinne, welche sich an der Treppe befindet hinauf und auch wieder hinab. Dann wende ich mich gen Karlsruhe und gelange nach einer ungewöhnlich malerischen Fahrt am Flüsschen Alb entlang zum Hostel am Bahnhof. Dort treffe ich kurz danach B., der in Karlsruhe wohnt. Wir haben uns schon lange nicht gesehen. Das Fahrrad lasse ich heute Abend stehen und es geht mit dem Auto zu einem Gasthof, welcher außerhalb von Karlsruhe am nördlichen Rand des Schwarzwalds liegt. „Vor zweieinhalb Tagen hatte ich die südlichen Ausläufer gesehen, nicht schlecht“ – schießt es mir durch den Kopf. Aber dann genieße ich den Abend bei einem leckeren Weizenbier, gutem Essen und schönen Gesprächen.

Am nächsten Morgen klingelt früh mein Handy. Es soll wieder heiß werden und ich will heute bis Worms kommen. Ich komme gut voran, bin schon bald wieder am Hochwassersperrwerk (dieses Mal fahre ich jedoch an dem Hindernis vorbei). Nachdem ich die Rheinbrücke bei Maxau überquert habe, bleibe ich stehen, drehe mich um und genieße den Sonnenaufgang überm Rhein. Ein Frachtschiff nähert sich der Brücke, zieht vor der Sonne her und fährt weiter gen Süden. „Gute Reise“, denke ich mir. Ich will aber weiter Richtung Norden.

Die Strecke führt mich überwiegend einige Meter abseits des Rheins durch ruhige, im Wasser stehende Waldgebiete. Ich treffe kaum andere Menschen und nutze die Gelegenheit und mein Headset für ein ausgedehntes Telefonat mit meinen Eltern. Immer wieder bleibe ich kurz stehen, genieße die beinahe morbide Landschaft und erzähle meiner Mutter staunend, wie schön es hier ist.

Die Einfahrt nach Germersheim bildet das komplette Gegenteil der letzten anderthalb Stunden. Auch wenn es nur eine Kleinstadt ist, kämpfe ich mich von Kreisverkehr zu Kreisverkehr. Die Annehmlichkeiten der Stadt möchte ich aber trotzdem nutzen, und so fülle ich an einer Tankstelle meine Getränkevorräte auf und kontrolliere den Reifendruck. Alles in Ordnung, es kann weiter gehen.

Am Hafen von Germersheim entlang folge ich wieder den Bögen des Altrheins. Nach einigen Bögen erscheinen in der Ferne die Häuser der nächsten Stadt. Ich habe meine Fahrradkarte vor mir und weiß, wohin ich fahre – die Stadt mit ihrer charakteristischen Dom-Silhouette hätte ich aber auch so sofort erkannt. Ich nähere mich Speyer. Als bei der Einfahrt in die Stadt neben mir hinter einem Gebüsch eine Boing 747 herumhängt, bleibe ich stehen. Eigentlich hatte ich im Technikmuseum von Speyer einen Stopp eingeplant. Aber die Sonne knallt immer stärker vom Himmel und ich habe noch gut 60 Kilometer bis Worms vor mir. Die Sehnsucht nach einer kalten Dusche in der Jugendherberge von Worms ist stärker – ich fahre weiter.

Während der Weiterfahrt kommt eine Nachricht über Facebook rein. Vor einigen Tagen hatte mich ein alter Bekannter angeschrieben, der meiner Tour bei Facebook gefolgt war. Er wäre in der Nähe von Mannheim unterwegs, wir könnten uns doch einmal kurz treffen. Die Absprachen sollten spontan erfolgen, abhängig vom Vorankommen am heutigen Tag. So verabreden wir uns in der Nähe des Dorfes Altrip am Rheinufer. Ich erreiche den Treffpunkt am Rheinufer und bekomme wenige Minuten später die Nachricht „Ich glaube, ich sehe dich. Welcher der drei Radfahrer auf der anderen Rheinseite bist du?“ Mit der Fähre wechselt er mit seinem Wohnmobil zu mir hinüber. Wir begrüßen uns kurz und fahren dann weiter zu einem kleinen schattigen Parkplatz. Ich bin begeistert. A. hat an alles gedacht und versorgt mich erstklassig. Kalte Cola Light, Frikadellen, erfrischende Melone und das alles bei über 30 Grad. Nach dem Essen drückt er mir einige Flaschen mit klarem Wasser in die Hand, damit ich mich ein wenig äußerlich erfrischen kann. Ein Highlight hat er aber noch vorbereitet. Mein Bekannter fotografiert gerne – und er fotografiert gut. Sehr gut. Vor einigen Tagen in der Rabenscheune konnte ich schon seine Aufnahmen bewundern. Vor der Weiterfahrt bot er mir noch ein Fotoshooting auf dem Fahrrad an, welches ich begeistert annahm. Es sind sehr schöne Fotos dabei entstanden. (Wer sich seine Fotos ansehen möchte: http://www.akkimoto.de/)

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Frisch gestärkt ging es dann weiter. Ich könnte nun die Fähre zum rechten Rheinufer und nach Mannheim nehmen oder ich fahre weiter über Ludwigshafen und die Rheinbrücke nach Mannheim rein. Auf die rechte Rheinseite möchte ich auf jeden Fall wechseln, da ich gerne über die Nibelungenbrücke nach Worms hineinfahren möchte. Ich entscheide mich dazu, dem linken Rheinufer zu folgen und komme so kurz darauf nach Ludwigshafen. Ich folge brav den Hinweisschildern des Rheinradwegs in Richtung Worms, auch wenn die Strecke etwas von meiner geplanten Route abweicht. Irgendwann mitten in Ludwigshafen werde ich skeptisch und bleibe stehen. Wieder einmal bin ich auf die Beschilderung des Rheinradwegs reingefallen. Ich folge gerade dem linksrheinischen Radweg. So würde ich auch nach Worms kommen, aber nicht so wie geplant. Ich schiebe es auf die Hitze, biege bei nächstbester Gelegenheit in östliche Richtung ab und schlage mich mit Karte und Fahrradnavi durch Ludwigshafen-Mitte, um nach Mannheim zu kommen. Irgendwie gelingt mir dies auch, wobei es eine Herausforderung war, mit dem Fahrrad von Ludwigshafen aus auf die Konrad-Adenauer-Brücke zu kommen. Am rechten Rheinufer verlasse ich die Brücke in einem Gewussel aus Straßen, Bahnschienen und Radwegen und fahre am Barockschloss vorbei in die Mannheimer Innenstadt. Die kleinen Büdchen dort nutze ich wieder, um meine Getränkevorräte aufzufüllen. Die Dönerbuden locken mich ebenfalls. Aber ich habe erst bei Altrip gut gegessen und beim Radfahren habe ich eh nicht viel Appetit.

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Ich überquere den Neckar und folge ihm, bis er nach wenigen hundert Metern im Rhein aufgeht. Die nächsten Kilometer meines Weges am Rhein entlang habe ich die großen Industrieanlagen von Mannheim und Ludwigshafen im Blick. Kurz darauf muss ich wieder eine Fähre nehmen. Okay, Fähre ist vielleicht etwas übertrieben. Aber zumindest bringt mich die „Plattform mit Motor“ auf die andere Seite des Altrheins.

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Ich verlasse nun Mannheim und gefühlt bin ich schon in Worms. Aber es liegen noch gut 20 km vor mir. Ich folge dem Radweg am Rheindamm und bewundere die Brückenbögen, mit denen sich vor mir die A6 dem Rhein nähert. Trotz der Autobahn über mir fühle ich mich weit weg von der „Zivilisation“ – ein Blick auf die Karte hätte mir aber den McDonalds präsentiert, der sich in nicht einmal einem Kilometer Entfernung befunden hat. Aber mir gefällt es, wie der Rheinradweg oft abseits der Städte durch die Natur führt.

Getrieben von dem Gedanken an die Dusche in der Jugendherberge in Worms trete ich in die Pedale, überhole mit hoher Geschwindigkeit ein Pärchen auf ihren Fahrrädern, folge dem Rheinradweg etwas abseits des Rheins von Lampertheim in Richtung Rosengarten. In Rosengarten biege ich an der B47 zur Nibelungenbrücke ab. Kurz vor der Nibelungenbrücke überhole ich ein weiteres Pärchen auf ihren Fahrrädern. Ich reibe mir verwundert die Augen und überlege mir, ob ich mich beim nächsten Mal bei den Einheimischen nach dem Weg erkundigen sollte – es war das gleiche Pärchen wie schon 10 km zuvor.

Die Nibelungenbrücke führt mich über den Rhein. Durch das Nibelungentor sehe ich Worms und die Sonne. Das Ziel der heutigen Etappe ist erreicht. Morgen geht es weiter bis nach Mainz und von dort aus nach Frankfurt. (Ich weiß, Frankfurt liegt nicht am Rhein, aber ich wollte auch dort eine sehr gute Bekannte besuchen.)

Den heutigen Abend lasse ich aber erst einmal mit einer langen Dusche, mit einem Stadtbummel durch Worms und einem Essen beim Griechen sowie in meinem Zimmer in der Jugendherberge ausklingen.

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