Zu Fuß quer über Teneriffa

Wenn es um Gewicht, besser gesagt ums Gewichtsparen geht, kann man mich durchaus als „gear nerd“ bezeichnen. ‚Tschuldigung für den Anglizismus gleich im ersten Satz, aber etwas Besseres fällt mir einfach nicht ein und „Ausrüstungsfetischist“ passt nicht wirklich.

Es ist nicht nur Faulheit, die mich um jedes Gramm Ausrüstung kämpfen lässt. Mit immer schon maroden Knien, die im Alter einfach nicht besser werden wollen, und zwei Bandscheibenvorfällen muss ich Gewicht sparen, wenn ich noch Spaß an der Tour haben will. Außerdem steigert es auch meine Vorfreude: Überlegen, was muss mit, auf was kann ich verzichten, auf was will ich nicht verzichten, was kann ich durch etwas Leichteres ersetzen  – das macht mir einfach Spaß. Für mich ist das so, wie für andere das Blättern in Reisekatalogen.

Als Stirnlampe habe ich eine Noname aus den Internet (73g), die macht schön hell, und eine ganz kleine, aber lange nicht so lichtstarke Petzl E-lite (27g). Ihr könnt euch jetzt sicher denken, welche mitkommt. Genau. Das Teil brauche ich nämlich nur für den Notfall und wenn ich nachts mal ’ne Stange Wasser entsorgen muss.

Als Zugeständnis an den Komfort darf noch ein leichter Gaskocher (85 g) mit. Ein Tag ohne heißen Morgenkaffee fängt nämlich schlecht an. Das seht Ihr bestimmt auch so. Die passende Gaskartusche gibt’s im Kletterladen in Arico, sozusagen direkt bei meinem „Basislager“. Auf einen Teekessel verzichte ich, eine Metalltasse muss ausreichen.

Die 100 g Gas würden nicht reichen, um mein Trinkwasser abzukochen, falls ich der Herkunft nicht so richtig traue. Also packe ich noch ein „Zweikomponenten“-Wasserentkeimungsmittel ein.

35 Jahre lang habe ich draußen immer auf derselben Schaumstoff-Isomatte übernachtet. Ein Kletterkumpel ließ mich letzten Sommer auf seiner Xlite Probeliegen. Ich war echt „angefixt“. Also schenkte ich sie mir selbst zu Weihnachten und habe jetzt eine super bequeme, lediglich 340 g schwere Matte mit enorm kleinem Packmaß.

Beim Schlafsack gibt es keine Kompromisse. Ich weiß, wie kalt es im Winter am Teide sein kann, trotz der südlichen Lage und des ausgeglichenen Klimas. Daher kommt mein für den Himalaya gekaufter Daunenschlafsack mit -4°C Komfortbereich mit.

Auf der Insel gibt es keine Schlangen und keine Skorpione, ein Zelt ist daher nicht nötig. Für den Fall, dass es doch mal regnet oder viel Tau zu erwarten ist, packe ich meinen Zwei-Personen-Biwaksack dazu. Er kann auch als Regenponcho verwendet werden und an den Ecken habe ich ihn mit Schnüren versehen, so dass ich ihn auch wie ein Tarp aufspannen kann.

Für den Urlaub insgesamt nehme ich schon ein Zelt mit, da ich vor und nach der Wanderung im Garten des Tenerife Climbing House (TCH) campen möchte.

Für den Flug kommt das meiste von meinem Klettergeraffel – also Zelt, Wanderrucksack und alles andere für die Wanderung nicht absolut Notwendige in meinen Haulbag. Alles für die Wanderung Essentielle sowie meinen Klettergurt stecke ich in den Kletterrucksack, der zum Handgepäck wird. Somit müsste Wandern als auch Klettern irgendwie möglich sein, selbst wenn mein Gepäck nicht ankommen sollte.

Am Ende des Artikels, hänge ich noch die Packliste für die Wanderung dran.

Die Anreise klappt problemlos. Kurz vor Dunkelheit komme ich beim TCH in Arico an und baue mein Zelt im Garten auf. Doch dann die Erkenntnis: Shit, morgen ist Sonntag und Übermorgen Neujahr, da hat der Kletterladen zu. Okay, dann muss es halt morgens ohne warmen Kaffee gehen. Kurz noch in der Dorfkneipe Tapas essen und danach sitze ich im Garten mit anderen Kletterern am Lagerfeuer.

Am nächsten Morgen bleibe ich liegen bis die Sonne aufs Zelt scheint, frühstücke und sortiere dann mein Gepäck. Schnell wächst die Erkenntnis: Das gefühlte Gewicht ist deutlich größer als das abgeschätzte. Mein Kletterzeug und das restliche Gepäck kann ich im TCH deponieren.

Mittlerweile ist es 11 Uhr. Los geht’s!

Schuld am hohen Rucksackgewicht sind nicht zuletzt die mitgeschleppten 5,5 Liter Wasser. Es soll auf der heutigen Etappe noch zwei Stellen zum „Nachtanken“ geben, aber die Leute, die ich frage, sind sich nicht sicher, ob es da momentan wirklich Wasser gibt. Selbst falls ich Pech hab‘, meine knapp 6 Liter sollten auf jeden Fall bis zum Mittag des nächsten Tages reichen und da will ich das Nationalparkzentrum erreicht haben. Dort gibt es auf jeden Fall Wasser.

Ich folge dem Weg „Mar a Cumbre de Arico“. Bei strahlendem Sonnenschein und Windstille geht es zuerst durch Macchia und lichte Pinienwälder. Nach 3 Stunden erreiche ich den Picknickplatz „El Contador“. Wie sieht es mit Wasseraus? Der Hahn tröpfelt nur noch. Aber es hat gemauerte Grills. Mit Pinienzweigen entfache ich ein kleines Feuer und erhitze in meiner Blechtasse Wasser. Der Nachmittagskaffee ist gesichert. Weiter geht es durch Pinienwald in Richtung Kraterrand hoch. Jetzt ist der optimale Kompromiss gefragt. Einerseits will ich morgen auf jeden Fall ein bis zwei Stunden vor dem Schließen am Nationalparkzentrum sein, andererseits sind aber die Temperaturen umso angenehmer je tiefer ich übernachte. Auf etwa 1700 m Höhe finde ich einen perfekten Übernachtungsplatz. Zwischen einem Fels und einen Baum kann ich meinen Biwaksack aufspannen, habe also ein Dach über dem Kopf. Gegen 18 Uhr wird es dunkel und echt kalt. Im Schlafsack liegend tippe ich auf meinem Tablett noch an diesem Bericht bis mir die Finger „einfrieren“. Dann kommt die größte Herausforderung des Tages: Mehr als 12 Stunden am Stück schlafen, bis es wieder hell wird.

Um 7:30 Uhr dämmert es endlich und damit lässt auch die Wärme hoffentlich nicht mehr lange auf sich warten. Zum Frühstück gibt es Müsli mit Milchpulver und kaltem Wasser angerührt. Kaffee ist leider Fehlanzeige. Als ich um 8:30 Uhr aufbreche, ist es immer noch saukalt. Kaum komme ich in die Sonne ändert sich das aber massiv. Der erste Teil zum Kraterrand hoch geht durch lichten Pinienwald. Bei etwa 2000 hm ist die Baumgrenze erreicht. Um 11 Uhr erreiche ich den Kraterrand und blicke direkt auf den Teide. Was für ein Anblick! Er ist mit 3718 m nicht nur der höchste Berg der Kanaren, sondern auch der höchste Spaniens. Hier treffe ich auch die ersten Menschen seit ich gestern Mittag in Arico aufgebrochen bin. Auf dem Weg zum Nationalparkzentrum werden es immer mehr. Dort gibt es ein Schnellrestaurant und – was für mich viel wichtiger ist – Wasser. Die Klofrau versichert mir, es sei beste Trinkwasserqualität. Im Restaurant sehe ich einen deutlich größeren Rucksack als meinen. Er gehört zu einem Rentner aus Karlsruhe, der den Winter über auf den Kanaren wandert. Für drei Monate Wandern und Camping hat er alles in dem Rucksack und trägt das auch die ganze Zeit mit sich rum. Respekt! Da muss man zum einen sehr minimalistisch packen und zum anderen braucht es ’ne gute Konstitution.

Da ich vor zwei Jahren bereits auf dem Teide war und man dazu auch ein Permit bräuchte (zumindest wenn man nach 9 Uhr morgens an der Bergstation der Seilbahn vorbeikommt, wo kontrolliert wird), will ich diesmal auf den 3174 m hohen Pico Viejo. Vom Nationalparkzentrum folgt man zuerst einem Rundwanderweg durch die „Roches de Garcias“. Da geht es zu wie auf dem Oktoberfest. Am oberen Ende der Schleife, zweigt der Pfad zum Pico Viejo ab. Ein Blick in Richtung Gipfel und mir ist klar, weiter oben finde ich kein windgeschütztes Plätzchen zum Biwakieren. Zwischen den Roches de Garcias entdecke ich dagegen einen super Platz. Allerdings muss ich bis Sonnenuntergang warten, bevor ich mich da ausbreite, da die Stelle vom Rundwanderweg aus einsehbar ist. Auch mit einer Nacht Übung fällt es mir nicht leichter, mehr als 12 Stunden zu schlafen.

Am nächsten Morgen breche ich um 8:30 Uhr auf, die ersten paar 100 hm muss ich noch im Schatten zurücklegen. Unterwegs treffe ich Peter aus Thüringen. Er hat für diesen Tag ein 9-bis-11-Uhr-Permit für den Teide, aber wegen mehr als 100 km/h Windgeschwindigkeit an der Bergstation fährt die Seilbahn heute nicht. Bei einem Fußaufstieg würde er den Zeitslot nicht schaffen, so dass er sich für den Pico Viejo entschieden hat. Als ich ihm erkläre, dass ohne Seilbahn auch kein „Kontrolletti“ da oben sein kann, plant er um. Der Aufstieg geht durch eine abwechslungsreiche Vulkanlandschaft. Als wir oben am Grat ankommen, wendet sich Peter nach rechts zum Teide und ich biege nach links ab zum Pico Viejo. Die Landschaft wird immer surrealer und der Wind immer stärker. Am Kraterrand des Viejo ist der Wind so heftig, dass ich nicht mehr aufrecht gehen kann. Zum Fotografieren muss ich mich an Felsen festhalten oder hinlegen. Trotzdem: Es hat sich gelohnt! Der Blick in den alten Krater ist wirklich fantastisch. Beim Abstieg Richtung Westen bleibt die Landschaft absolut außerirdisch und die Farben wechseln. Waren bisher Rot- und Gelbtöne dominant, gibt es jetzt nur noch schwarze Vulkanasche. Noch mal richtig abgespaced wird es, als weiter unten hellgrüne bis gelbe Nadelbäume aus der schwarzen Asche sprießen. Mit dem Wasser (5,5 l ab Nationalparkzentrum) habe ich hoch gepokert, plötzlich kommen mir Bedenken. Was, wenn es am Naturcampingplatz, den ich heute erreichen will, kein Wasser gibt? Als ich die Straße erreiche, frage ich an einem Parkplatz, ob jemand Wasser für mich hat. Einen halben Liter bekomme ich geschenkt. Weiter geht es durch einen surrealen Wald talwärts, dann erneut ein Stück auf der Straße entlang. An der Abzweigung zum Naturcampingplatz gibt es einen Parkplatz mit ganz viel Tischen und Bänken, gemauerten Grills und WASSER. Ich kann sogar bei ein paar Franzosen meine Blechtasse mit auf den Grill stellen und komme so noch zu einem köstlichen Nescafé.

Etwas unterhalb liegt die „Area de Acampada de Chio“, ein offizieller Wildcampingplatz.

Dort steht ein Riesenzelt. Ein Typ, der sich als Allen aus Brasilien vorstellt, erklärt mir, davon zu leben, dass er Zelte in der Wildnis an Touristen  vermietet, die statt eines Hotels mal etwas anderes erleben wollen. Er zeigt mir das Zelt. Es ist wirklich schön eingerichtet. Auf den Schlafsäcken liegt sogar ein „Betthupferl“ wie im Hotel. Die Kundschaft, ein französisches Pärchen, kommt nach Einbruch der Dunkelheit.

Etwas Tau, ein leichter Luftzug und das Gebabbel der Franzosen bis morgens um 2 lässt mich nicht ganz so optimal schlafen.

Vom Camping geht ein markierter Wanderweg nach Chio runter. An einer Abzweigung, an der ich instinktiv nach rechts gegangen wäre, ist rechts ein weiß-grünes X und links das Wanderzeichen – ein weißer und ein grüner Strich – auf einen Stein gemalt. Als der Forstweg nach einem knappen Kilometer in einer Sackgasse endet, laufe ich zurück, um nochmals ab dem letzten Wanderzeichen zu schauen, wo ich ’ne Abzweigung verpasst habe. Nichts. Jetzt wird es Zeit, das Tablet zum Navigieren rauszuholen. Natürlich geht es nach rechts, wie zuerst vermutet. Das X (hier nicht) und das Wanderzeichen sind auf etwa 30 kg schwere Steinbrocken gemalt. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass jemand wohl erst vor kurzem die beiden Steine vertauscht hat. Irgendjemand mag hier keine Wanderer. Gestern hatte ich so was Ähnliches schon mal, aber da war es auf Anhieb offensichtlich, dass da manipuliert wurde.

Der Wald geht irgendwann in Weinberge und Gärten über und ich erreiche eine gut ausgebaute Teerstraße.

An der ersten Kreuzung gibt es zwei Bar/Café/Restaurants. Ich entscheide mich spontan für das auf der rechten Seite und frage, was es an Tapas gibt. Der Wirt zählt auf, beginnend mit Paella . Das klingt gut, aber wahrscheinlich hab ich mich verhört. Paella als Tapa? Ich frage vorsichtshalber, ob das stimmt. „Klar“ meint er „ist halt ’ne kleinere Portion“. Und die reicht mir selbst mit meinem Wandererhunger als Mittagessen vollkommen, ist super lecker mit drei verschiedenen Sorten Muscheln, dazu Garnele, Hähnchenschlegel und Fisch. Das Ganze kostet nicht mal 6 €.

Als ich dem Wirt, der sich als Adolfo vorstellt, erzähle, dass ich vom Teide komme. Zückt er sein Handy und zeigt mir ganz tolle Teide-Fotos, auch abfotografierte alte Fotos aus der Gegend und er erklärt mir ganz viel. Leider verstehe ich nicht alles. Als wir dann bei den Bildern von seinem Venezuela-Urlaub angekommen sind, verabschiede ich mich mal so langsam.

Den eher öden Abstieg die letzten 500 hm und 6 Kilometer hätte ich ohne Adolfos genaue Beschreibung nie gefunden.

Um 14 Uhr komme ich in Alcalá in der Nähe von Los Gigantes am Meer an. Nachdem ich meine Füße im Atlantik gebadet habe, mache ich mir auf die Suche nach einem Quartier.

Die nächsten 20 Stunden im Schnelldurchlauf:

Es gelingt mir nirgends, ein Hotel-/Pensionszimmer zu bekommen. An der ganzen Südküste gibt es offensichtlich nur einen Campingplatz. Dieser liegt weit ab zwischen Bananenplantagen und Industriegebieten. Generell finde ich die Küste besonders um „Las Américas“ und „Los Cristianos“ absolut verschandelt.

Am nächsten Morgen beginne ich um kurz nach 10 Uhr in „El Pois de Adona“ direkt am Meer den letzten Abschnitt der Wanderung. Er ist eigentlich der erste, hoch nach „Arico“. Also um genau zu sein, da es davon in der Gegend 4 Stück gibt, nach „Villa de Arico“. Auch diese Strecke bringt noch mal landschaftliche Abwechslung. „Arico el Nuevo“, ein wirklich schön renoviertes Dorf, liegt auch auf dem Weg. Leider gibt es dort keine Gastronomie und keinen Laden. Am frühen Nachmittag komme ich im Teneriffa Climbing House an. Der Kreis hat sich geschlossen.

Fazit: Die Wanderung war immer abwechslungsreich und hatte im Gipfelbereich des Pico Viejo durch den extremen Wind auch einen gewissen Anspruch, so, dass es mir nie langweilig wurde.

Jürgen Leitz

Den Routenverlauf der Wanderung findet ihr hier:

www.outdooractive.com/de/wanderung/teneriffa/wanderung-quer-ueber-teneriffa/113483341/

 

Packliste (nur Wanderung)

Klamotten:

2 Unterhosen

Halblange Unterhose

Langarmunterhemd

T-Shirts

Stirnband

Softshell Jacke

Fleecejacke

Kapuzenjacke

Birkis

Zustiegsschuhe

Taschentuch

Halstuch

2 Paar dünne Socken

Reisehose+Gürtel

Roter Pullover (a.K.)

Seidenschlafsack

Leichter Schlafanzug

Schirmkappe

 

Kulturbeutel:

Zahnpaste

Zahnbürste

Sonnencreme

Ohrenstopfen

 

Medikamente:

Pflaster

Klammerpflaster

Tape

Desinfektionsmittel

Aspirin

Tigerbalsam

Fishermanns

Sportsalbe

Brustbeutel:

Perso

Cash

Schlüssel Wohnung

Versicherungskarte Unfall

Versicherungskarte Krankenk.

EC-Karte

Kreditkarte

 

Sonstiges:

Rucksack ca. 60l

2 x 0,75 PET-Flaschen

Sonnenbrille

Wecker

Geldbeutel

Brille

Bleistift

Kuli

Handy

Klopapier

Tempos

Mini Messer

Petzl Stirnlampe

Stofftasche

Tablett

Futter:

4 Landjäger

8 Müsliriegel

4 Brötchen

4 Tafeln Schokolade

Multivi-, Magnesium-, Calciumbrausetabletten

500g Kekse

3 Müslipremix & Schüssel

Kaffee

Zucker

Milchpulver

 

Kamera:

Sony RX100III

Plus 2 Akkus

Reinigungszeugs

Solide Kameratasche

Gorillapod

 

Camping:

Guter Schlafsack

Biwaksack plus Schnur

Isomatte XLite R

Plane für unter Isomatte

Feuerzeug

Tasse

Teelöffel (Plastik)

Wassersack 4l

Wasserentkeimungsmittel

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